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„Wenn zwei das Gleiche tun, wird es noch lange nicht gleich geschätzt und vergütet“
Interview GIB Info 3/19 Interview mit Katja Köhler (TBS)
Menschen in Leiharbeit oder mit Werkverträgen sind gegenüber der Stammbelegschaft oft benachteiligt, nicht selten auch unrechtmäßig. Um hier aufzuklären, riefen der DGB NRW und das Arbeitsministerium in Nordrhein-Westfalen 2008 das Projekt „Service-Hotline Zeitarbeit und Werkvertrag“ ins Leben. Zu den drei Beraterinnen und Beratern der Service-Hotline, die bei der Technologieberatungsstelle beim DGB NRW e. V. angesiedelt ist, zählt Katja Köhler.
G.I.B.: Frau Köhler, die Service-Hotline geht auf eine Idee aus dem Jahre 2008 zurück, als Guntram Schneider, DGB-Vorsitzender, und Karl-Josef Laumann zum ersten Mal Arbeitsminister des Landes Nordrhein-Westfalen waren. Vor welchem Hintergrund begann die Hotline mit der Tätigkeit?
Katja Köhler: Mit der Hartz-Gesetzgebung der rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder und der Deregulierung des Arbeitsmarktes ging ein starker Anstieg der Leiharbeit einher. In den Medien häuften sich seinerzeit die Berichte über Skandale beim Einsatz von Leiharbeitskräften. Der DGB und die Landesregierung verabredeten, etwas zu tun, um den Missbrauch einzudämmen. Die Service-Hotline ist eine Einrichtung, an die sich zum Beispiel Beschäftigte in der Leiharbeit wenden können, die gerade nicht gewerkschaftlich organisiert sind.
Das ganze Interview finden Sie hier…
„10 Jahre Service-Hotline Zeitarbeit und Werkvertrag
Reformen in der Zeitarbeit – ist der Missbrauch jetzt eingedämmt?“
13.11.2018 Jubliäumsveranstaltung
Seit 10 Jahre berät die TBS NRW im Rahmen der „Service Hotline Zeitarbeit und Werkvertrag“ Beschäftigte in der Leiharbeit, Betriebs- und Personalräte sowie Arbeitsvermittler/innen zu allen Fragen rund um die Themen Leiharbeit und Werkvertrag. Im Rahmen der Bilanzfachtagung „Reformen in der Zeitarbeit – Ist der Missbrauch jetzt eingedämmt?“ am 13.11.18 in Düsseldorf würdigte NRW Arbeitsminister Karl-Josef Laumann die Arbeit der Hotline und erinnerte daran, dass die NRW Landesregierung gemeinsam mit dem DGB NRW dieses Angebot ins Leben gerufen hat, um Leiharbeit in NRW fair zu gestalten.
Mittlerweile, so der Minister, habe sich die Leiharbeit positiv weiterentwickelt, weil es nahezu flächendeckend Tarifverträge mit den DGB Gewerkschaften gibt. Dennoch, so Laumann mit Blick auf die Fleischindustrie und das Transportgewerbe, gebe es nach wie vor Missbrauch, Ausbeutung und Lohndumping in der Leiharbeit. Er sei deshalb fest entschlossen, die Beratungsstrukturen für faire Arbeit in NRW weiter auszubauen.
Die Vorsitzende des DGB NRW, Anja Weber, betonte in ihrem Grußwort, dass das Gesetz zur Reform der Leiharbeit einen Kompromiss darstellt. Das gravierendste Problem ist, so Anja Weber weiter, dass sich die Regelungen auf die Leiharbeitnehmer/innen und nicht auf die Arbeitsplätze beziehen. So kommt es dazu, dass die Leiharbeit nicht zur Abdeckung von Arbeitsspitzen sondern als Ersatz für reguläre Arbeit weiter zunimmt. Deshalb müsse auch die Arbeit der Service Hotline weitergehen. Solange es Missbrauch gibt, so Anja Weber, braucht es auch Beratung.
Die Beraterinnen und Berater der Service Hotline blickten anschließend auf die verschiedenen Projektphasen in den vergangenen zehn Jahren zurück. Dabei wurde deutlich, dass viele Beratungsthemen (Kündigungen, Fahrtkostenerstattung, falsche Eingruppierung, Überstunden, Arbeitszeitkonten) in der ganzen Zeit gleich geblieben sind.
Christian Iwanowski von der IG Metall Bezirksleitung NRW stellte in seiner Einschätzung der Marktsituation klar, dass Rechts- und Tarifverstöße in der Leiharbeit nach wie vor an der Tagesordnung sind. Er sieht den Markt geteilt in die Gruppe der Helfer und der Facharbeiter. Probleme gibt es seiner Meinung nach vor allem im Helferbereich. Da ist das Gesetz, so Iwanowski, was den Arbeitnehmerschutz angeht, nach wie vor eine Mogelpackung.
Aktuelle Zahlen zur Entwicklung der Zeitarbeit präsentierte Ilona Mirtschin, Referentin bei der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Die Hälfte der Beschäftigungsverhältnisse der rund 1 Million Zeitarbeitnehmer/innen dauern weniger als drei Monate. Beschäftigte in der Zeitarbeit haben ein hohes Arbeitslosigkeitsrisiko und verdienen nach wie vor deutlich weniger als regulär Beschäftigte. Chancen bietet die Leiharbeit, so Mirtschin, geflüchteten Menschen. Von ihnen haben 2017 55.00 (2016 18.000) eine Beschäftigung in der Zeitarbeit gefunden.
Nach intensiven Diskussionen in drei Arbeitsgruppen zu den Themen „Betriebsvereinbarung Leiharbeit“, „Werkverträge“ und „Equal Pay“ folgte eine von Dr. Jürgen Grumbach moderierte Podiumsdiskussion über zukünftige „Herausforderungen und Lösungswege“. Werner Stolz, Hauptgeschäftsführer beim Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) sah Zeitarbeit auch in Zukunft als „eine enorme Chance für Arbeitsuchende, wieder Fuß auf dem Arbeitsmarkt zu fassen.“ Eine Einschätzung, die er mit Mark Albien vom Verband Werteverpflichteter Personaldienstleister (VWPD) teilte.
Weitaus kritischer fielen die Stellungnahmen der Gewerkschafter aus. Armin Wiese, Geschäftsführer NGG Region OWL, wies darauf hin, dass Rechts- und Tarifverstöße in der Zeitarbeit nach wie vor an der Tagesordnung sind, und nach Ansicht von Michael Hermund, Abteilungsleiter Arbeitsmarktpolitik DGB NRW, „muss das Thema Qualifizierung in der Zeitarbeit viel stärker in den Fokus rücken, um mehr langzeitarbeitslose Menschen und gering Qualifizierte nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren.“
An der Stelle konnte Wilhelm Oberste-Beulmann, Vizepräsident beim Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. (BAP), auf ein in seinem Verband entwickeltes Drei-Stufen-Modell der Qualifizierung verweisen, das für Maschinen- und Anlagenführung, Dialogmarketing und Fachlageristik niederschwellige e-learning-Angebote vorsieht – „inklusive Zertifikaten und mit dem Ziel des Erwerbs eines Facharbeiterbriefs bei der IHK.“
Abschließend stellte Christina Ramb, Leiterin der Abteilung „Arbeit und Qualifizierung“ im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW, klar, dass die Politik „schwarzen Schafen“ unter den Zeitarbeitsunternehmen „auf die Finger sehen und auf verschiedenen Ebenen gegen Missbrauch vorgehen wird.“ Des Weiteren betonte sie wie zuvor der Minister die geplante Weiterentwicklung der Beratungsstrukturen und erhoffte sich beim Thema „Qualifizierung“ weitere „gute Gespräche mit den Anwesenden“.
„Änderungen in der Gesetzgebung zu Leiharbeit und Werkvertrag
Konsequenzen für die betriebliche Interessenvertretung“
17.11.2017 Informationsveranstaltung
Zum 01.04.2017 treten voraussichtlich die gesetzlichen Änderungen bei Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträgen in Kraft. In der Regel wird die Überlassungsdauer auf 18 Monate begrenzt, Equal Pay ab 9 Monaten gezahlt. In beiden Fällen bestehen Möglichkeiten tarifvertraglicher Abweichungen. Einsätze von Leiharbeitskräften müssen im Überlassungsvertrag als Arbeitnehmerüberlassung bezeichnet werden und das Betriebsverfassungsgesetz wird erweitert.
Wie stellt sich die betriebliche Interessenvertretung unter den neuen Rahmenbedingungen auf? An welcher Stelle kann Einfluss auf Fremdfirmeneinsätze genommen werden? Und welche Ansprüche müssen Arbeitssuchende bei der Vermittlung in die Zeitarbeitsbranche kennen?
Mit dieser Veranstaltung möchte die Service-Hotline Zeitarbeit und Werkvertrag über das Gesetz aufklären und die Handlungsoptionen deutlich machen. Eingeladen sind Personalräte, Betriebsräte aus Verleih- und Entleihbetrieben, GewerkschaftsvertreterInnen, ArbeitsvermittlerInnen sowie Verbandsvertreter der Zeitarbeit.
Programm und Präsentationen der Referenten
10:00 Begrüßung
Leiterin Referat rechtliche Grundlagen der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, Teilhabe am Arbeitsleben
Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales
10:10 Gesetzliche Neuregelungen bei Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträgen
Leiter Rechtsabteilung und Leiter Hauptstadtbüro
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten
11:00 Kommentar der Zeitarbeitsbranche
Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V.
Wilhelm Oberste-Beulmann, Vizepräsident
Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister
Hans-Joachim Wendland, Vorstandsvorsitzender
Verband werteverpflichteter Personaldienstleister
11:30 Pause
11:50 Leiharbeit: Handlungsmöglichkeiten für die betriebliche Interessenvertretung
Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft
12:25 Werkverträge: Handlungsmöglichkeiten für die betriebliche Interessenvertretung
Gewerkschaftssekretär
Industriegewerkschaft Metall
13:00 Abschluss
„Aktuelle Entwicklungen in der Leiharbeit und bei Werkverträgen“
19.01.2016 Lohnhallengespräch
Im November 2015 hatte das Bundesarbeitsministerium (BMAS) einen sehr kontrovers diskutierten Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Missbrauchs von Leiharbeit und Werkverträgen vorgelegt. Beim Lohnhallengespräch am 19. Januar 2016 in Bottrop hat die G.I.B. nun in Kooperation mit der „Service-Hotline Zeitarbeit und Werkvertrag“ der TBS NRW und dem Arbeitsministerium NRW im Rahmen der Initiative „Faire Arbeit – Fairer Wettbewerb“ mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und Politik, Zeitarbeitsunternehmen und Gewerkschaften sowie der „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ den Diskurs intensiv fortgesetzt. Thema waren die aktuellen Entwicklungen in der Leiharbeit und bei Werkverträgen. Fazit der Veranstaltung: Der Gesetzentwurf ist stark überarbeitungsbedürftig. Zwar berge er einzelne Vorteile, für die Sicherstellung von „Fairer Arbeit“ auch bei Fremdpersonaleinsatz jedoch sei er völlig unzureichend.
„Wir wollen vor allem den Betriebsräten aus Ver- und Entleihbetrieben eine Plattform bieten, um über den Gesetzentwurf des BMAS zur Bekämpfung des Missbrauchs von Leiharbeit und Werkverträgen zu diskutieren.“ Mit diesen Worten eröffnete G.I.B.-Geschäftsführer Bernward Brink das Lohnhallengespräch zu den „aktuellen Entwicklungen in der Leiharbeit und bei Werkverträgen“.
Gleich zu Beginn kritisierte Christine Reichel, Leiterin des Referats „Rechtliche Grundlagen der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, Teilhabe am Arbeitsleben“ im MAIS NRW, vor allem die Regelungen des Gesetzentwurfs zur „Höchstüberlassungsdauer“ bei der Leiharbeit und verwies einmal mehr auf NRW als dem Land der fairen Arbeit, das nicht nur „gute Arbeit“ durchsetzen, sondern auch „kriminelle Machenschaften“ bekämpfen und „verantwortungsbewusste Arbeitgeber vor falscher Konkurrenz aus den eigenen Reihen“ schützen will. Ihr Resümee: „Der Entwurf muss nachgebessert werden!“
Fehlende Absicherung der Kontrollrechte für Betriebsräte
Im Anschluss an die Vertreterin des Arbeitsministeriums berichtete Prof. Dr. Peter Schüren von der Universität Münster, der gemeinsam mit seiner Kollegin Prof. Dr. Christiane Brors im Auftrag des MAIS NRW Vorschläge zur Eindämmung des Missbrauchs beim Fremdpersonaleinsatz erarbeitet hatte, über die geplanten Gesetzesänderungen – und bewertete sie.
Sein Urteil war geradezu vernichtend: Die im Entwurf den Betriebsräten zugesprochenen Beteiligungsrechte – „besonders trostlos!“ Die Regelungen zur Überlassungshöchstdauer“ – nichts anderes als „Dauerüberlassung durch die Hintertür bei gleichzeitiger Kostensenkung für die Unternehmen!“. Die Passagen des Entwurfs zum „Widerspruchsrecht“ der Arbeitnehmer zur Fiktion eines Arbeitsverhältnisses beim Verleiher bei Scheinwerkverträgen- „vollkommen sinnlos für Arbeitnehmer!“ Die Indikatoren für Scheinselbständigkeit und illegaler Überlassung“ – nur „Scheinlösungen, die nichts taugen!“ Vor allem aber kritisierte der Wissenschaftler „die fehlende Absicherung der Kontrollrechte für Betriebsräte“ beim Einsatz vom Fremdpersonal.
Kritisch sah auch – wenn auch aus anderen Gründen – Werner Stolz, Hauptgeschäftsführer Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V., die Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten: „Sie passt nicht für alle Flexibilitätsfälle“. Er plädierte dafür, Regelungen dazu den Tarifpartnern zu überlassen.
Differenziert äußerte sich Armin Wiese von der NGG Region OWL zum Entwurf. Die Regelungen zur „Streikbrucharbeit“ und zum „Arbeitnehmerbegriff“ seien zu begrüßen und könnten für Klarheit sorgen. Massiv hingegen bemängelte er das Fehlen jeglicher „Mitbestimmungsrechte für die Beschäftigung von Werkvertragnehmern“, zumal Werkverträge „das Hauptproblem unserer Branche“ seien. „Wir brauchen nicht nur Informationsrechte“, lautete seine Forderung, „sondern auch ein Widerspruchsrecht!“
Handlungsoptionen für Betriebsräte
In drei Arbeitsgruppen“ – „Aktive Betriebsratsarbeit im Umgang mit Fremdpersonal“, „Equal Pay und Überlassungshöchstdauer – Vor welchen Herausforderungen steht die Zeitarbeitsbranche“ und „Mehr Informationsrechte für Betriebsräte? Betriebliche Handlungsoptionen bei Werkverträgen“ – befassten sich die Teilnehmenden der Veranstaltung intensiver mit den Entwicklungen beim Einsatz von Fremdpersonal, den Auswirkungen auf die Zeitarbeitsbranche, aber auch mit den Erfordernissen und Möglichkeiten der Einflussnahme durch den Betriebsrat.
In der dritten Arbeitsgruppe standen die Informationsrechte für Betriebsräte und deren betriebliche Handlungsoptionen bei Werkverträgen im Mittelpunkt der Diskussion. Wilfried Müller, Betriebsrat bei Thyssen Krupp Steel Europe und Jürgen Szalies, Betriebsrat der Hüttenwerke Krupp Mannesmann in Duisburg, berichteten von den Schwierigkeiten der betrieblichen Interessenvertretung, die sich aus ihren unzureichenden Mitbestimmungsrechten beim Einsatz von Fremdpersonal ergeben.
Ganz machtlos sind Betriebsräte jedoch keineswegs, wie sie am Beispiel ausgeklügelter Aktivitäten in ihren Unternehmen illustrierten, mit denen sie den Handlungsspielraum der Personalvertretung trotz restriktiver Rahmenbedingungen erheblich auszuweiten wussten. Ihnen war indes bewusst, dass ihre Handlungsoptionen auch deswegen vergleichsweise groß sind, weil der gewerkschaftliche Organisationsgrad in ihren Unternehmen bei über 90 Prozent liegt. Sie forderten dazu auf, die Bildung von Betriebsräten in Verleihunternehmen zu initiieren und regten den Aufbau von „Betriebsrat-Netzwerken“ an.
„Wir wollen mehr!“
Deutliche Unterstützung fanden sie mit ihrer Forderung bei Prof. Peter Schüren im abschließenden Podiumsgespräch. Hier diskutierte er unter der Moderation von Silke Hoffmann von der TBS NRW gemeinsam mit Christine Reichel vom MAIS NRW, Betriebsrat Jürgen Szalies sowie mit Edgar Heller von der Generalzolldirektion Köln und Eveline Berlinger vom Hauptzollamt Dortmund, die sich vor allem mehr Personal wünschten, um wirkungsvoller gegen illegale Arbeitnehmerüberlassung vorgehen zu können, zumal ihre Kontrollen sich allzu oft mit „Momentaufnahmen“ begnügten müssten. Auch anonymen Hinweisen auf „Unregelmäßigkeiten“ gingen ihre Behörden nach, soweit „wirklich konkrete Anhaltspunkte“ vorlägen. Die Erwartungen der Diskutanten an eine Überarbeitung des Gesetzentwurfs brachte abschließend Christine Reichel vom MAIS NRW auf den Punkt: „Wir wollen mehr!“
„Wie umgehen mit Werkverträgen?“
03.11.2015 Werkstattgespräch
Über vierzig TeilnehmerInnen, davon über dreißig Betriebs- und Personalräte verschiedenster Branchen haben sich am 03.11.15 im Rahmen des Werkstattgesprächs „Werkverträge“ im Düsseldorfer DGB Haus ausgetauscht. Im Mittelpunkt standen die Fragen der Werkvertragsvergabepraktiken in Deutschland und die Gestaltungspielräume für Interessenvertretungen.
Johannes Kirsch vom Institut für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen stellte hierzu die Ergebnisse einer Studie vor, die ein Forscherteam aus Duisburg, Chemnitz und Darmstadt im Auftrag der Hans Böckler Stiftung im Rahmen des Projektes „Praktiken der Onsite-Werkvertragsvergabe in Deutschland“ erarbeitet hat. Bei „Onsite-Werkverträgen“ werden die Kernbereiche der Wertschöpfung als Werkvertrag outgesourced. In der Studie weisen die Wissenschaftler durch eine Befragung von mehr als tausend Unternehmen nach, dass diese Form der Auslagerung vor allem im verarbeitenden Gewerbe stark verbreitet ist. Die Motive sind vielfältig, zentral ist jedoch der Aspekt: Lohnkosten zu sparen.
Betriebsräte, so Kirsch, gehen sehr unterschiedlich mit dem Thema „Werkverträge“ um. Die Bandbreite reicht von „Ablehnung und Konfrontation“ bis hin zu „Akzeptanz und Ausgestaltung“. Hier sehen die Forscher den Gesetzgeber in der Pflicht, die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Betriebsräte bei der Werkvertragsvergabe zu erweitern, um den Missbrauch durch Lohndumping zu verhindern und die Schutzrechte der Werkvertragsbeschäftigten zu sichern.
Jürgen Szalies, Betriebsrat bei den Hüttenwerken Krupp-Mannesmann (HKM) in Duisburg, berichtete, wie es in seinem Unternehmen gelungen ist, die Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Werkvertragsvergabe durchzusetzen. Auf Basis des Tarifvertrages der Stahlindustrie haben die Betriebsparteien bei HKM eine spezielle Betriebsvereinbarung zum Umgang mit Werkverträgen abgeschlossen. Danach gibt es im Unternehmen unabhängig vom Wirtschaftsausschuss einen paritätisch besetzten Ausschuss zu „Werkverträgen“. Ziel ist die Verhinderung illegaler Leiharbeit und die Sicherstellung fairer Arbeitsbedingungen bei den Werkvertragsbeschäftigten. Halten sich Werkvertragsnehmer nicht an die Vereinbarungen, wird ihnen der Auftrag entzogen. Szalies forderte die anwesenden Betriebsratskollegen auf, in dem Thema aktiv zu werden. “Die Arbeitgeber“, so der HKM Betriebsrat, “haben hier Regelungsbedarf.“
Einen Einblick in die Probleme der Baubranche gaben anschließend Rinaldo van der Sande und Dirk Zöller Betriebsräte der Ed. Züblin AG, Direktion NRW. Die Branche ist seit Jahrzehnten durch einen anhaltenden Konkurrenzkampf über die Lohnkosten geprägt. Projekte werden in der Regel nur noch über Werkverträge mit Subunternehmern umgesetzt. Bewährt haben sich nach Meinung der beiden Kollegen eine genaue Vorprüfung der Nachunternehmerangebote und eine laufende Überprüfung bei der Auftragsdurchführung. Langfristige Geschäftsverbindungen mit etablierten und bewährten Nachunternehmern, so die beiden Betriebsräte, zahlen sich aus und ersparen dem Unternehmen Kosten und Ärger.
Zum Schluss der Veranstaltung stellten Catalina Guia und Szabolcs Sepsi die Arbeit der Projekte „Faire Mobilität“ und „Arbeitnehmerfreizügigkeit in NRW fair gestalten“ vor. In Beratungsstellen in Dortmund und Düsseldorf werden im Rahmen der Projekte Beschäftigte aus Mittel- und Osteuropa in arbeits- und sozialrechtlichen Fragen beraten. Viele Beschäftigte aus Rumänien und Bulgarien arbeiten z.B. in der Fleischindustrie und der Logistikbranche auf der Basis von Werkverträgen, wodurch die Zahlung von Mindestlöhnen und die Einhaltung sozialrechtlicher Standards umgangen werden soll. Durch die Einführung von Branchenmindestlöhnen konnten mittlerweile z.B. in der Fleischbranche erste Verbesserungen für die Beschäftigten umgesetzt werden.
Im Oberhausener Rathausfoyer wird erstmals die Ausstellung „Faire Arbeit – Fairer Wettbewerb“ präsentiert. In der Ausstellung erhalten die Besucherinnen und Besucher Informationen und Praxisbeispiele zu den Themen Minijobs, Leiharbeit und faire Löhne.
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist ein wichtiges europäisches Grundrecht und zugleich eine große Herausforderung für Politik, Gewerkschaften und Beschäftigte. „Arbeit und Leben NRW“ unterstützt deshalb im Rahmen der Initiative „Faire Arbeit – Fairer Wettbewerb“ Beschäftigte aus Mittel- und Osteuropa bei der Durchsetzung ihrer Rechte mit einer Beratungsstelle in Dortmund. Die Erfahrungen aus dem ersten Jahr der Beratungspraxis sollen jetzt auch für Kolleginnen und Kollegen aus Gewerkschaften und Betrieben nutzbar gemacht werden. Am 3. Februar 2015 hat „Arbeit und Leben NRW“ zu der Praxistagung „Die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit und ihre Folgen für Betriebe, Gewerkschaften und Beratungsstrukturen in NRW“ in die VHS Dortmund eingeladen. Gemeinsam mit Vertretern des Landes und der Gewerkschaften wurden dort Perspektiven zur Lösung der vorhandenen Probleme und Chancen der Arbeitnehmerfreizügigkeit diskutiert.
Interview mit den Beraterinnen der Hotline Zeitarbeit
15.02.2015
Beitrag auf der Homepage der Initiative „Faire Arbeit – Fairer Wettbewerb“, die Fragen stellte Arnold Kratz von der G.I.B., 02/2015
Erfahrungsaustausch „Leiharbeit und Betriebsräte“ bei der TBS in Dortmund
04.06.2014
Zwei Fachvorträge haben den Auftakt der Veranstaltung gebildet: Jürgen Ulber von der IG Metall hat das Thema „Aktuelle Entwicklungen der Leiharbeit“ beleuchtet und Cordula Sczesny von der Soziale Innovation GmbH zeigte Handlungsmöglichkeiten für Betriebsräte auf, um den Klebeeffekt im Entleihbetrieb zu erhöhen. Diesen Referaten folgten zwei Arbeitsgruppen zu den Themen „Personalbetreuung und Qualifizierung in den Verleih- und Entleihbetrieben“ sowie zu „Maßnahmen zur korrekten Umsetzung tariflicher und gesetzlicher Vorgaben“. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen werden im folgenden zusammengefasst.
Arbeitsgruppe 1 „Personalbetreuung und Qualifizierung in den Verleih-und Entleihbetrieben“
Angela Frank von Job find 4 you berichtete in der Arbeitsgruppe, welchen Stellenwert „Qualifizierung“ in ihrem Unternehmen einnimmt. Qualifizierungsfragen werden in der Regel im Vorfeld mit dem Kundenunternehmen abgesprochen und dann umgesetzt. Es gibt aber auch zunehmend Initiativen seitens der Beschäftigten, die konkrete Qualifizierungswünsche formulieren. Die wenigsten mittelständischen Unternehmen haben eine systematische Personalentwicklung, so dass das Thema „Qualifizierungsberatung“ für Personaldienstleister an Bedeutung gewinnt.
Dr. Cordula Sczesny wies in ihrem Beitrag darauf hin, dass eine systematische Personalbetreuung durch das Verleihunternehmen einen hohen Stellenwert bei der Frage einer möglichen Übernahme des Leiharbeitnehmers durch das Entleihunternehmen hat. Im Rahmen des Projektes „Zeitarbeit – eine Brücke in den Arbeitsmarkt?!“ wurde u.a. ein Flyer für Zeitarbeitskräfte erarbeitet. Dieser bietet Tipps dafür, was Zeitarbeitskräfte selbst tun können, um sich für eine Übernahme zu empfehlen.
In der anschließenden Diskussion wurden weitere Qualifizierungsbeispiele vorgestellt und auf Fördermöglichkeiten z.B. durch die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter hingewiesen. Angesichts eines sich abzeichnenden Fachkräftemangels gewinnt das Thema „Qualifizierung“ auch für Zeitarbeitsunternehmen zunehmend an Bedeutung.
Arbeitsgruppe 2 „Maßnahmen zur korrekten Umsetzung gesetzlicher und tariflicher Vorgaben“
Innerhalb der Arbeitsgruppe wurden sechs Problemfelder thematisiert. Als erstes wurde die Eingruppierung besprochen. Arbeitnehmer führen im Kundenbetrieb Tätigkeiten aus, die einer höheren Entgeltgruppe entsprechen als die arbeitsvertraglich festgelegte Entgeltgruppe. Ein Ansatzpunkt, um dagegen vorzugehen, kann die Wahrnehmung der Kontrollfunktion durch den Betriebsrat des Entleihers sein (§ 99 (1) BetrVG).
Als zweiter Aspekt wurden die Änderung der Tarifverträge iGZ und BAP zum 01.11.2013 diskutiert. Ab Januar 2015 müssen Leiharbeitskräfte nach einem Jahr Betriebszugehörigkeit von EG 3 automatisch in EG 4 eingruppiert werden (TV iGZ § 3; TV BAP § 3). In der Diskussion stellte sich die Frage, inwiefern diese Regelung praxistauglich sei. Es habe sich bisher oft gezeigt, dass, sobald sich für Arbeitnehmer tarifliche Verbesserungen ergeben, Strategien von Ver- und Entleiher genutzt wurden, um diese zu umgehen.
Ein anschauliches Beispiel diesbezüglich bot ein Teilnehmerbeitrag anhand von Branchenzuschlägen. Ein Konzern ist in verschiedene Tochtergesellschaften unterteilt, die auf dem gleichen Betriebsgelände angesiedelt sind. Wenn die Leiharbeitskraft innerhalb dieses Konzerns rotiert, wird der Anspruch auf Branchenzuschläge „legal“ umgangen. Hier kann der KBR oder GBR Einfluss ausüben, indem dieser eine freiwillige Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber abschließt. Der Anspruch der Leiharbeitskraft auf Einsicht in Betriebsvereinbarungen im Entleihbetrieb würde oftmals unter den Tisch fallen bzw. nicht beachtet werden. Ein Einsichtsrecht besteht aber, wenn der Geltungsbereich die Leiharbeitnehmer einschließt oder sie nicht ausdrücklich ausschließt (§§ 77 (2) und 77 (4) BetrVG). Dazu zählen beispielsweise Regelungen über Sozialeinrichtungen oder den Arbeitsschutz.
Die Teilnehmer berichteten, dass der Arbeitsschutzes, insbesondere die persönliche Schutzausrüstung, immer wieder einen Streitpunkt darstelle. Es ist jedoch eindeutig rechtlich geregelt, der Entleiher ist für die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften verantwortlich. Im Gegensatz dazu sind Gesundheitsuntersuchungen eine Aufgabe des Verleihers. In beiden Fällen empfiehlt sich eine Kooperation der beteiligten Parteien. (§ 8 ArbSchG)
Eine Möglichkeit im Umgang mit Verstößen, die den Arbeitsschutz betreffen, ist das Arbeitsschutztelefon NRW. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Auswahl von Zeitarbeitsunternehmen anhand von Zertifizierungen, wie beispielsweise das IQZ Gütesiegel. Die Bundesagentur für Arbeit als Zulassungsstelle für Zeitarbeitsunternehmen kann nach vorausgegangener Beschwerde und Prüfung, Zulassungen entziehen. Aufgrund der geringen Personalausstattung wird die Handlungsfähigkeit dieser Anlaufstelle eher kritisch betrachtet.
Messe „Arbeit – Bildung – Chancen“
11.03.2014
Am 11. März 2014 war die Hotline Zeitarbeit mit einem Informationsstand auf der Jobmesse in Gelsenkirchen vertreten. Neben zahlreichen direkt-Beratungen und Anfragen haben einige Besucher den Vortrag „Hinweise zum Abschluss eines Arbeitsvertrags“ besucht.
„Vermittlung in faire Zeitarbeit“ – Eine Veranstaltung im Rahmen der Initiative „Faire Arbeit – Fairer Wettbewerb“
12.02.2014 Lohnhallengespräch
Die Erfahrungen der „Hotline Zeitarbeit“ der TBS NRW und des Modellprojektes „Zeitarbeit – eine Brücke in den Arbeitsmarkt?“ der Soziale Innovation GmbH standen im Mittelpunkt des Lohnhallengespräches „Vermittlung in faire Zeitarbeit“. Die Veranstaltung richtete sich insbesondere an Bereichs- und Teamleitungen sowie Arbeitsvermittler/innen der NRW Jobcenter.
Peter Schäffer, Leiter der Abteilung „Arbeitsgestaltung und -sicherung“ in der G.I.B. eröffnete die Veranstaltung mit einem Blick auf die aktuelle Lage in der Zeitarbeitsbranche in NRW. Trotz Mindestlohn und Branchenzuschlägen würden die rund 200000 Leiharbeitnehmer in NRW oftmals zu schlechteren Bedingungen als die Stammbelegschaften arbeiten. „Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales NRW hat aus diesem Grund vor einem Jahr die Initiative „Faire Arbeit – Fairer Wettbewerb“ gestartet. Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt soll entgegengewirkt werden.“, so Schäffer.
Ein Kernthema der Initiative sei die Verbesserung der Arbeitsbedingungen auch in der Zeitarbeitsbranche, erläuterte Barbara Molitor vom Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales NRW. Sie betont: „Wir wollen NRW zum Land der fairen Arbeit machen, auch in der Zeitarbeit. Wir als Ministerium können dazu beitragen, indem wir die Rahmenbedingungen in der Zeitarbeit verbessern und durch Maßnahmen wie z.B. gezielte Öffentlichkeitsarbeit über Rechte und Pflichten aufklären.“ Dies funktioniere allerdings nur mit Unterstützung der Bundesagentur für Arbeit und der Jobcenter.
Michael Hermund vom DGB Landesbezirk NRW kam auf einige Fakten der Zeitarbeitsbranche zu sprechen. Er wies darauf hin, dass die Leiharbeitsverhältnisse sich in den letzten 10 Jahren verdreifacht hätten und der so genannte Klebeeffekt mit 13% relativ gering sei. Vielmehr ende das durchschnittliche Leiharbeitsverhältnis bereits nach 3 Monaten, so Hermund. Außerdem produziere die ungleiche bzw. schlechte Bezahlung von Leiharbeitnehmern erwerbstätige Arme, was dazu führt, dass der Staat mit aufstockenden Geldern Arbeitsplätze subventionieren muss. Im Jahr 2010 wurden bundesweit 300 Millionen Euro dafür ausgegeben. Er forderte daher eine Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes.
Als Orientierungshilfe für Leiharbeitnehmer und -arbeitnehmerinnen aber auch Beschäftigte in den Jobcentern zur Vermittlung in faire Leiharbeit, stellte Silke Hoffmann, Leiterin der Hotline Zeitarbeit bei der TBS einen Kriterienkatalog für faire Leiharbeit vor. Diese lauten z.B.:
Einhaltung geltender Regelungen in Arbeits- und Tarifverträgen
Arbeitsverträge nehmen Bezug auf Tarifvertrag der Zeitarbeitsbranche oder „Equal Pay“ (ggfs. über Haustarifvertrag) mit einer tariffähigen Gewerkschaft!
Zeitarbeitsunternehmen stellen sicher, dass für die eigenen Beschäftigten die gleichen Arbeitsbedingungen (Urlaub, Arbeitszeiten, Nutzung von Sozialräumen, etc.) gelten
Im Anschluss trug Dr. Cordula Sczesny, Soziale Innovation GmbH, die bisherigen Ergebnisse des Modellprojekts „Zeitarbeit – eine Brücke in den Arbeitsmarkt?“ vor. „Ein wesentlicher Erkenntnisgewinn unseres Modellprojekts ist, dass der größte Einfluss auf den Klebeeffekt die Zeitarbeitnehmer selber sowie die Kundenunternehmen zu scheinen haben“, so Sczesny. Zeitarbeitnehmer selber könnten am ehesten durch klassische Arbeitstugenden wie Einsatz, Wille und Motivation zum eigenen Klebeeffekt beitragen. Kundenunternehmen dagegen sehen eine gute Einarbeitung und Integration ins Team als starke Indikatoren zur Erhöhung des Klebeeffekts.
In zwei moderierten Gesprächen wurde anschließend anhand von Beispielen guter Praxis verdeutlicht, dass eine Vermittlung in faire Zeitarbeit möglich ist und mit Weiterbildung in der Zeitarbeit positive Ergebnisse erzielt werden können.
Best-Practice Beispiele:
Vermittlung in Faire Zeitarbeit: Kooperation START Zeitarbeit (Dr. Ulrich Jansen, Geschäftsführer) mit der SIEMPELKAMP NUKLEARTECHNIK GmbH (Karl-Heinz Kramm, Leiter Fertigung und Norbert Maag, Personalleiter)
Weiterbildung in der Zeitarbeit: Kooperation RANDSTAD (Steffen Rudolph, Senior Consultant Arbeitsmarktprojekte) mit der DMG MORI Academy (Jürgen Kemmler)
Aktuelle Veränderungen in der Zeitarbeit – Rückblick und Ausblick (Michael Hermund, DGB Landesbezirk NRW)
Ansatzpunkte zur Erhöhung des Klebeeffekts in der Zeitarbeit (Dr. Cordula Sczesny, Soziale Innovation GmbH)
Kriterien für faire Leiharbeit (Silke Hoffmann, TBS Hotline Zeitarbeit)
„Leiharbeit und Betriebsräte“
17.04.2013 Lohnhallengespräch
Als bloßes Flexibilisierungsinstrument der Betriebe bietet Leiharbeit weder dauerhafte noch existenzsichernde Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse. Leiharbeitskräfte arbeiten häufig zu schlechteren Bedingungen als Stammbelegschaften. Beim Lohnhallengespräch „Betriebsräte und Leiharbeit“, einer Veranstaltung im Rahmen der Initiative „Faire Arbeit – Fairer Wettbewerb“ und in Kooperation mit der Technologieberatungsstelle beim DGB NRW (TBS), standen Betriebsräte aus Zeitarbeitsunternehmen und Entleihunternehmen im Mittelpunkt. Ziel war herauszufinden, wie sich die Bedingungen für Leiharbeitskräfte unter Beteiligung der Betriebsräte fairer gestalten lassen.
Wirksame Tarifverträge
Erst spät, räumte Christian Iwanowski von der IG Metall Bezirksleitung NRW in seinem Eröffnungsreferat ein, hätten sich die Gewerkschaften dem Thema Leiharbeit – er präferierte den Begriff „Mietarbeit“ – gewidmet, so dass Leiharbeit lange Zeit der Öffentlichkeit als „Jobmotor“ vorgegaukelt werden konnte. Nach ersten Aktivitäten von Arbeitsloseninitiativen habe dann aber die Kampagne „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ die Schattenseiten der Leiharbeit aufgezeigt. Seitdem sind spürbare Erfolge zu verzeichnen, darunter der Tarifvertrag über Bedingungen des Einsatzes von Leiharbeit in der Metall- und Elektroindustrie sowie der Tarifvertrag zur Zahlung von Branchenzuschlägen. Er diene dazu, „die Lohnlücke zwischen Stammbelegschaft und Leiharbeitskräften zu schließen“. Jetzt gelte es, die Aufmerksamkeit auch auf das „Fluchtinstrument Werkverträge“ zu richten.
Ungerechte Behandlung
Geradezu „erschüttert“ zeigten sich die TBS-Beraterinnen Eva von Buch, Stefanie Wallbruch und Silke Hoffmann über die Anfragen, Beschwerden und Klagen von Leiharbeitskräften. Sie betrafen eine ungerechte Eingruppierung und Entlohnung, den auf sie ausgeübten Druck zur Akzeptanz für sie ungünstiger Änderungskündigungen sowie eine besonders für sie geltende hohe Arbeitsintensität. Stark zugenommen haben Anfragen von Leiharbeitskräften insbesondere aus kleineren Betrieben zum Thema „Gesundheit“. Fazit der TBS-Beraterinnen: „Offensichtlich aus Angst vor Repressalien oder vermeintlicher Chancenminderung muss schon viel passieren, bevor sich Leiharbeitskräfte an die Hotline wenden. Bei vielen Problemen führen wir dieselben Diskussionen wie vor zehn Jahren. Es wird einfach nicht wirklich besser.“
Die Lage der Leiharbeitskräfte „wirklich zu verbessern“ ist indes nicht leicht, verfügen doch nur neun der insgesamt rund 3800 Verleihunternehmen in NRW über einen Betriebsrat! Gleich drei der neun allerdings waren in der Lohnhalle auf dem Podium vertreten, darunter Stephan Bretten von Randstadt, Ralf Gundlach von Manpower und Stefan Päsel von START Zeitarbeit. Sie diskutierten mit Monika Schaper und Frank Steffanus…. vom Betriebsrat der Postbank AG, einem Entleihunternehmen, über die Rahmenbedingungen bei der Interessenvertretung von Leiharbeitskräften und zeigten eine Vielzahl von Schwachstellen auf, wobei zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Unternehmen zu unterscheiden sei. Zwar existiert bei der Bundesagentur für Arbeit ein detaillierter Katalog zur Kontrolle von Verleihunternehmen hinsichtlich Urlaubsberechnung, Eingruppierung, Entgeltabrechnung und Arbeitszeit, doch die personellen Ressourcen der Verantwortlichen reichten nicht aus.
Umso wichtiger das Engagement der Betriebsräte in den Entleihunternehmen selbst. „Stimmt dem Einsatz von Leiharbeit nicht zu, wenn zuvor Auszubildende nicht übernommen worden sind!“, lautete eine Anregung oder: „Seht Euch die Überlassungsverträge genau an!“, denn: „Viele Leiharbeitskräfte werden als einfache Helfer angefordert, verrichten aber schon bald danach Tätigkeiten, die hinsichtlich der Entlohnung eine viel höhere Eingruppierung rechtfertigen. Der Betriebsrat von Kundenbetrieben weiß das, der Betriebsrat des Verleihunternehmens nicht.“ Wünschenswert sei deshalb eine Vernetzung von Betriebsräten der Verleih- und der Entleihbetriebe – „am besten organisiert von den Gewerkschaften“. Ob die Kooperation dann immer gelingt, ist trotzdem nicht garantiert. So habe ein Kundenbetrieb dem Betriebsrat des Verleihunternehmens Hausverbot erteilt.
Erste Verbesserungsvorschläge
In drei Arbeitsgruppen ging es um die Identifizierung von Hindernissen sowie die Erarbeitung konkreter Maßnahmen bei Durchsetzung von Fairness in der Leiharbeit. „Equal Pay“ und „equal treatment“ sind erforderlich, darin waren sich all einig, denn „nicht nur monetäre Aspekte tragen zu unfairer Leiharbeit bei.“ Ein Beispiel: In einem Unternehmen mit hohem Durchschnittsalter, berichtete eine Betriebsrätin, müssen junge Leiharbeitskräfte in der Produktion ausschließlich körperlich anstrengende Tätigkeiten verrichten. „Sie sind die eigentlichen Leistungsträger – eine Entlastung der Stammbelegschaft auf Kosten der Leiharbeitskräfte. Das gilt es zu verhindern!“
Wichtig wären zudem eine größere Planungssicherheit für Leiharbeitskräfte bei Einsatztätigkeiten und Urlaub, eine transparente Entlohnung, eine Anrechnung der Verleihzeiten auf die Probezeit und die Dauer der Betriebszugehörigkeit im Fall einer Übernahme, eine stärkere Berücksichtigung beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement sowie eine Bevorzugung gegenüber externen Bewerbern bei der Personalrekrutierung.
An Bedeutung gewinnen wird das Thema „Leiharbeit und Qualifizierung“. Hier sollten Verleihfirmen enger mit Jobcentern und Arbeitsagenturen kooperieren. Als vorbildlich genannt wurde im Handlungsfeld „Qualifizierung“ der von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) mit einem Zeitarbeitsunternehmen geschlossene Tarifvertrag zur Weiterbildung inklusive der Bildung eines Weiterbildungsfonds. Betriebsvereinbarungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Leiharbeitskräften, so das Resümee, „wären gut“, besser aber noch wäre es, „die Schlupflöcher in Tarifverträgen zu schließen.“
Nachhaltige Maßnahmen
In einem abschließenden, von Jürgen Grumbach (TBS NRW) moderierten Podiumsgespräch, kamen neben den Betriebsräten auch Vertreter von Leiharbeitsfirmen zu Wort. Cordula Glatthaar vom Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) verwies auf den jüngst verabschiedeten „Ethikkodex“ ihres Unternehmens, eine Selbstverpflichtung, deren Einhaltung, wie die Juristin bekennt, „beobachtet und kontrolliert werden muss“. Zeitgleich habe die iGZ eine „Kontakt- und Schlichtungsstelle“ (KUSS) gegründet, um in Streitfragen zur Leiharbeit faire Lösungen zu finden. Bessere Rahmenbedingungen für die Leiharbeit verspricht sie sich jedoch nicht vom Gesetzgeber, sondern von den Tarifparteien: „Die Branchenzuschlagstarifverträge waren dabei ein Meilenstein!“
Branchenzuschläge, die START Zeitarbeit, ein Vorzeigeunternehmen der Branche, selbstverständlich zahlt, so Geschäftsführer Wilhelm Oberste Beulmann. Allein im vergangenen Jahr habe sein Unternehmen einen Betrag in Millionenhöhe investiert, „um auch gering qualifizierte Zeitarbeitskräfte besser zu stellen“. Statt nach Einzellösungen für die Zeitarbeitsbranche zu suchen, plädierte er allerdings für „generelle Lösungen“ sowohl was die Qualifizierung der Beschäftigten, alternsgerechte Arbeitsbedingungen wie auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft.
Fair organisiert könnten Verleihunternehmen eine hochwertige Dienstleistung liefern, meinte auch Achim Vanselow vom DGB Landesbezirk NRW, das aber setze voraus, „dass sie nicht mehr das Massengeschäft von heute ist.“ Er konstatierte eine „Verrohung auf dem Arbeitsmarkt“, das Gefüge aus Sicherheit und Flexibilität habe die Balance verloren. Tarifverträge könnten viel bewirken, aber jetzt gelte es, „die verantwortlichen Akteure in den Regionen an einen Tisch zu holen“ und auch die Politik sei gefragt, um die „so nicht erwartete Entwicklung in der Leiharbeit gesetzgeberisch zu korrigieren“.
Die von ihm geforderte „Nachhaltigkeit“ der Landesinitiative „Faire Arbeit – fairer Wettbewerb“ konnte Barbara Molitor vom MAIS NRW zusagen. Die Initiative sei keine Wahlkampfveranstaltung, sondern „unbefristet“ angelegt. Ihr Ziel sei ja gerade, Themen wie „Minijobs“, „Leiharbeit“, Werkverträge“ und „Minderbezahlung“ im Zusammenhang zu sehen und nachhaltig gegen prekäre Beschäftigung und Beschäftigungsverhältnisse vorzugehen und dabei neben der Förderung von Modellprojekten und Diskursen mit der Wissenschaft mit einer Reihe von Marktwirtschaftsgesprächen auch die Öffentlichkeit einzubeziehen. Die Lohnhallenveranstaltung zum Thema „Leiharbeit“ sah sie dabei als eine wichtige Etappe.
„Heißer Draht für Zeitarbeiter“
31.01.2012
Beitrag in der „NRZ“, 31.01.2012, Autorin: Anja Schröder
„Gute Arbeit in der Zeitarbeit“
01.12.2011
Einladung zum Workshop
Vorträge der Referentinnen und Referenten:
Eva von Buch, Hotline Zeitarbeit, TBS NRW: Bilanz des Projekts „Serviceangebot Zeitarbeit“
Wilhelm Oberste-Beulmann, Start Zeitarbeit NRW GmbH: In „Gute-Arbeit“ vermitteln – Verbundausbildung bei Zeitarbeitsunternehmen mit einer Einführung durch Martin Michalke, Bundesagentur für Arbeit – ZAV Bonn
Johannes Jakob, DGB Bundesvorstand – Fachabteilung Arbeitsmarktpolitik: Novellierung des Arbeitnehmerüberlassungsgestzes 2011
Zeitarbeit gestalten: Interview mit der Hotline Zeitarbeit
15.11.2011
Beitrag in Personalführung, die Fragen stellte Dr. Martin Roos
„Gute Arbeit in der Zeitarbeit“
30.06.2010
Vorträge der Referentinnen und Referenten:
Dr. Ulrich Jansen, START NRW
Gabi Schilling, Institut Arbeit und Qualifikation, Uni Duisburg-Essen
„Guter Job, schlechter Job“
25.03.2010
Beitrag in „Zeit Online“, 25.03.2010, Autor: Kolja Rudzio
„Befristete Stellen und Leiharbeit sind sinnvoll, werden aber oft für unlautere Zwecke eingesetzt. Dagegen tut die Koaltion zu wenig.“
„Einsatz für gute Arbeit: Zeitarbeit und prekäre Beschäftigung vor, während und nach der Wirtschaftskrise! – Bilanz und Perspektiven“
01.09.2009
Vorträge der Referentinnen und Referenten zum Download:
Prof. Dr. Klaus Dörre, Universität Jena:
„Bestandsaufnahme der Entwicklung von Beschäftigungsformen vor und während der Krise“
Vortrag zur Veranstaltung
Dr. Cordula Scezny, SI-Consult:
„Zeitarbeit in NRW – eine Bilanz“
Aus den Workshops:
WS 2: „Wie gehen „flexibler“ Personaleinsatz und gute Arbeit im Betrieb zusammen?
Vortrag Werner Stolz, Hauptgeschäftsführer iGZ:
„Flexibler Personaleinsatz + gute Zeitarbeit = Gewinn für alle“
Vortrag Christian Iwanowski, IG Metall:
„Personalkonzept Leiharbeit?“
WS 3: „Gewerkschaftliche Anforderungen an Rahmenbedingungen für „flexible“ und gute Arbeitsbedingungen – Beispiele aus Europa“
Vortrag Jutta Reiter, DGB NRW:
„Leiharbeit in den Niederlanden“
Vortrag Dr. Gloria Müller, DGB NRW:
Ohne Sozialpartner geht (fast) gar nichts: Arbeitskräfteüberlassung in Österreich“
WS 4: „Was können betriebliche Interessenvertretungen tun?
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